Vor einem Jahrzehnt wagten Johannes Haschke und Michael Klemm mit einem Wirtshaus den Schritt in die Selbstständigkeit. Jetzt feiern sie am Freitag ihre Resilienz.
Vom Bohème zum Daheme
Vom Bohème zum Daheme: „Wir haben uns damals zusammengesetzt. Und am Ende war die Idee ganz einfach: Wir tauschen zwei Buchstaben aus und vermitteln ein Gefühl von Zuhause.“ Klar, nach Hause kommen oder zu Hause sein, dieses Gefühl wollen die beiden mit ihrem Namen vermitteln. Der Sachse braucht dafür sieben Buchstaben und damit ein „e“ mehr, der Thüringer denkt ökonomischer. Haschke und Klemm, zwei Jenenser, haben sich die Aufgaben aufgeteilt: Der eine steht hinter der Theke und kümmert sich um die Abläufe, der andere agiert eher im Hintergrund, kümmert sich um die Buchhaltung, das Personal und den Umgang mit den Behörden. „Ich kann bis heute nicht verstehen, dass manche Gastronomen Einzelkämpfer sind“, sagt Johannes Haschke.
Bewusst gewählt: Die Jenenser führen ein Wirtshaus!
Der 46-Jährige erzählt mit ruhiger Stimme. Und man merkt schnell, dass das nicht der einzige Grund ist. Haschke ist Quereinsteiger, hat Psychologie studiert und arbeitet als Systemischer Therapeut. Auf die Diskussionen, dass ein Wirt auch ein guter Psychologe sein muss, hat er einfach keine Lust. Er und Klemm kennen sich seit Jahrzehnten. Im Herbst 2014 haben sie das Daheme eröffnet und bereits grundlegend renoviert. Bewusst spielen sie mit dem Begriff Wirtshaus: Vom verstaubten Image befreit, wirken die beiden Gasträume schlicht, gemütlich und doch modern; das rustikale
Hirschgeweih ordnet sich der schlichten Eleganz des Thekenbereichs unter. Die Küche, bodenständig: Tafelspitz vom Altenburger Rind oder Rote-Bete-Salat mit Kresse.
Großbaustelle: Dann suchen wir uns einen Garten
Vieles lässt sich planen. Und immer wieder muss improvisiert werden: Zum Beispiel angesichts der Großbaustelle am Johannisplatz und in der Wagnergasse, die 2016 und 2017 das Straßencafé-Geschäft in Jenas Kneipenmeile zum Erliegen bringt. Aus der Not heraus suchte und fand man ein Ausweichquartier im Schillergäßchen. Hier bieten 70 feste Sitzplätze und viel Rasen einen Platz an der Sonne. „Daheim im Garten“ eben. Corona ist in vielerlei Hinsicht ein Wendepunkt. Johannes Haschke, verheiratet und Vater von drei Kindern, hat die innere Ruhe verloren. Immer wieder stellt er sich die Frage nach der wirtschaftlichen Zukunft. Trägt das Daheme? Reicht der Gewinn, um ein Team von sechs Festangestellten zu ernähren? „Wer in der Gastronomie arbeitet, braucht das Trinkgeld. Das wurde aber nicht auf das Kurzarbeitergeld angerechnet“, sagt Haschke. Und Michael Klemm verweist auf Italien, wo für den Service meist ein Zuschlag erhoben wird, der auf dem Beleg als Coperto vermerkt ist. „Das ist ein besseres System.“
Als Jena im März 2020 als erste größere Stadt in Thüringen ankündigte, Kneipen, Cafés und Restaurants wegen des Coronavirus zu schließen, sei das ein Schock gewesen. „Bei allen Verwerfungen habe ich immer gedacht, dass sich die Leute abends auf ein Bier treffen können“, sagt Haschke. Wütend sei man nicht gewesen. Die Situation sei für alle neu gewesen. Immerhin haben beide ihre Expansionspläne auf Eis gelegt. „Ich hatte vor Corona schon überlegt, vielleicht noch ein Lokal in Weimar zu eröffnen“, sagte Johannes Haschke.
Am Freitag, den 05. Juli 2024 wird gefeiert: Mit den Familien, Freunden, Mitarbeitern und Ehemaligen. Und natürlich mit den ganz normalen Gästen. Den Jenaer Ingwerlikör sollte man nicht als Mitbringsel mitbringen. Den setzt Barkeeper Konrad Grabert selbst an. Der Likör ist wegen seiner Schärfe und Aromen längst ein beliebtes Mitbringsel und ein Verkaufsschlager.
Foto: Thorsten Büker
Original-Artikel vom 04.07.2024: Ostthüringer Zeitung